Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms bei einem Verkehrsunfall
Eingestellt am 11. Januar 2021 von Stefan König
Das Fahrradfahren erfreut sich weiterhin zunehmender Beliebtheit; dies hat bereits statistisch zur Folge, dass auch die Anzahl von Verkehrsunfällen unter Beteiligung eines Radfahrers nicht abnimmt.
Kommt es bei Verkehrsunfällen, die ein Radfahrer unverschuldet erleidet, zu Kopfverletzungen des Radfahrers, wird immer wieder die Frage gestellt, ob dem Radfahrer ein Mitverschulden an der Entstehung seiner Verletzungen zuzuweisen ist, weil er ohne Helm unterwegs war.
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat zu dieser Frage in einem aktuellen Urteil vom 20.08.2020 entschieden, dass es nicht zu einem Mitverschulden des betroffenen Radfahrers führt, wenn er ohne Helm unterwegs war.
Auf Grundlage einer dazu vor längerem ergangenen Entscheidung der Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2014 wäre nur dann von einem Mitverschulden des betroffenen Radfahrers auszugehen, wenn sich zum Zeitpunkt des Unfalles ein „allgemeines Verkehrsbewusstsein” gebildet hätte, welches beinhaltet, dass Radfahrer einen Helm zu tragen haben, wenn sie im Straßenverkehr unterwegs sind.
Nach Erhebungen der Bundesanstalt für Straßenwesen hat sich herausgestellt, dass auch aktuell die bei weitem überwiegende Mehrheit der erwachsenen Radfahrer (rd. 80 %) nach wie vor keinen Helm benutzt, insbesondere nicht innerorts im Alltagsradverkehr; diese Erkenntnis wurde von einem der zuständigen Richter des OLG Nürnberg auch im Rahmen einer von ihm persönlich in Nürnberg durchgeführten Verkehrszählung bestätigt.
Von einem „allgemeinen Verkehrsbewusstsein“ ist nach Ansicht der Rechtsprechung erst dann auszugehen, wenn zumindest 50 % der erwachsenen Radfahrer im Alltagsverkehr mit einem Helm unterwegs sind.
Nachdem dieser Grenzwert jedenfalls aktuell nicht annähernd erreicht wird, hat das OLG Nürnberg in seinem Urteil entschieden, dass dem hier betroffenen Radfahrer an der Entstehung seiner unfallbedingten Kopfverletzungen kein Mitverschulden zuzuweisen ist.
Etwas anderes würde nach Ansicht des OLG Nürnberg nur für bestimmte Formen des sportlichen Radfahrens gelten, die mit erheblich gesteigertem Kopfverletzungsrisiko verbunden sind, etwa beim Radrennfahren mit tiefer Kopfhaltung oder beim Mountainbike Fahren im freien Gelände.
Die Auffassung des Oberlandesgerichtes Nürnberg verdient insoweit Zustimmung, weil es in erster Linie Sache des Gesetzgebers wäre, wie bei den Fahrern von Motorrädern oder Mofas mit einer höheren Geschwindigkeit als 20 km/h eine verbindliche gesetzliche Regelung aufzustellen, dass auch Radfahrer während der Fahrt einen Helm benutzen müssen.
Solange eine derartige gesetzliche Regelung nicht besteht, liegt es im alleinigen Verantwortungsbereich des Radfahrers, ob er die zum Schutz seiner eigenen Gesundheit sicher sinnvolle Entscheidung trifft, während der Fahrt einen Helm zu tragen, oder nicht.
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